Gruftis im öffentlichen Leben
in Gruftis in der DDR 14.04.2010 16:42von GraveYardAngel •

Um etwa 1985 drang die Grufti-Bewegung über Berlin und Westdeutschland auch in Teile der Deutschen Demokratischen Republik vor. Das Alter der Szenemitglieder bewegte sich zwischen 14 und 23 Jahren und entspricht ungefähr den Angaben zur heutigen Szene. Dieter Baacke räumte in seinem Buch „Jugend und Jugendkulturen – Darstellung und Deutung“ (1999) der Szene in der DDR eine Blütezeit ein, die sich auf die Jahre 1988/1989 datieren lässt.
„In Deutschland und insbesondere in Ostdeutschland befasste man sich viel intensiver und ernsthafter mit den hinter der Musik stehenden Werten und Idealen. Baacke geht – was den Osten anbelangt – sogar davon aus, dass es in der DDR eine Blütezeit gegeben haben dürfte.[150]“
Von der Mitte der 1980er Jahre bis kurz vor der Wende zählte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mehr als 600 Gruftis innerhalb der DDR, 150 davon in Ost-Berlin. Weitere Zentren waren Cottbus, Frankfurt (Oder), Leipzig, Potsdam und Halle an der Saale. In die zumeist regional organisierten Jugendcliquen wurden 36 Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi zur Bespitzelung eingeschleust, auf jede Clique kam somit ungefähr ein Inoffizieller Mitarbeiter (IM).
In den Kleinstädten herrschten hingegen weniger homogene Strukturen vor. Hier solidarisierten sich Gruftis mit Punks oder New Romantics. Aufgrund ihres „unsozialistischen Aussehens“ (O-Ton Volkspolizei) wurden viele Jugendliche staatlich verfolgt, Treffen wurden durch die Volkspolizei aufgelöst und als Bandenbildung aktenkundig vermerkt, Platzverweise und Innenstadtverbote blieben keine Seltenheit. Dieser Umstand machte einen Austausch zwischen den Anhängern der ostdeutschen Wave- und Gothic-Bewegung nur erschwert möglich.
„Im Grunde entwickelte sie sich ähnlich wie im Westen, bloß mit dem Unterschied, dass sie hier aufgrund des sozialistisch geprägten Systems sehr eingeengt, unterdrückt und getrennt vom Rest der Szene existierte und offiziell als Tabu galt. Dadurch wuchs die Gemeinde jedoch nur noch stärker zusammen und hatte somit einen familienartigen Charakter, der seine Eigenheiten bezüglich des Westens aufwies. […] Besonders hatte die Szene mit der intoleranten Bevölkerung zu kämpfen, weil diese in den andersartigen »Ostgoten« eine Bedrohung sah.
Auch von den Lehrkräften wurde massiv Druck ausgeübt. Dies äußerte sich durch die leistungsunabhängige Vergabe schlechter Noten oder durch das Verbot, höhere Schulabschlüsse wie Abitur zu belegen. Unter Anwendung dieser Maßnahmen wurden viele Gruftis, deren Wunsch nach individueller Entfaltung als Angriff auf das politische System fehlgedeutet wurde, aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und daran gehindert, einem angemessenen Berufsleben nachzugehen.
„Ich hatte viel Ärger zu der Zeit. Ich habe das nie verstanden, wenn die auf mich zukamen und Druck machten wegen meines Aussehens. Dass ich damit politisch irgendwo anstoße, war mir überhaupt nicht bewusst, das war auch nicht mein Zweck. Das hatte sich dann erst entwickelt, irgend wann aus Trotz heraus, als ich merkte, dass das System, an das ich glaubte, Treue von der Haarfrisur abhängig machte.

![]() 0 Mitglieder und 1 Gast sind Online |
![]()
Das Forum hat 52
Themen
und
76
Beiträge.
Besucherrekord: 16 Benutzer (19.03.2018 19:42). |
![]() | Einfach ein eigenes Forum erstellen | ©Xobor.de |